• Geschichten vom und über
    den Großen Arber

     

Renaissance der Totenbretter

Stumm stehen sie an am Wegesrand, recken sich wie mahnende Finger dem Himmel entgegen. Morbide Symbole finden sich auf weißem Grund, kurze Verse lassen die Erinnerung an längst Verstorbene lebendig bleiben. „Zwischen dem Egerland und dem österreichischen Waldviertel sind die Totenbretter verbreitet, die schönsten aber finden sich im Lamer Winkl“, weiß der Passauer Volkskunde-Professor Dr. Reinhard Haller. Die Originale allerdings sterben langsam aus. Der Grund: Bis etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts waren die Bretter, auf denen die Toten zu Hause aufgebahrt und die später vom Möbelmaler kunstvoll verziert wurden, aus weichem Fichtenholz. „Der Volksglaube sagte: Ist das Holz verfault, dann ist der Tote erlöst“, erzählt Haller. Mittlerweile allerdings gibt es rund um den Arber eine Renaissance der Totenbretter. Vor allem die Traditionsvereine bemühen sich, den alten Brauch zu erhalten. Nur auf Fichtenholz wird heute verzichtet. An Eiche und Buche nagt der Zahn der Zeit halt viel langsamer.

Richard Wagner und der Arber

Das markante Kinn, die dominante Nase, die fliehende Stirn - tatsächlich: das ist das Profil Richard Wagners. Am besten sind die Namen gebenden Linien des Felsaufbaus am westlichen Arber-Gipfel vom Seeriegel aus zu erkennen. Doch wer hat den ehemaligen Bodenmaiser Riegel mit dem berühmten Schöpfer der Nibelungen in Verbindung gebracht? Selbst versierte Arber-Kenner kommen bei dieser Frage ins Grübeln. Einer der profundesten Kenner der Region, der Passauer Volkskunde-Professor Dr. Reinhard Haller hat nachrecherchiert. „Belegbar ist die Bezeichnung Richard-Wagner-Kopf zum ersten Mal in einem Prospekt aus dem Jahr 1934“. Noch vier Jahre vorher habe der Regensburger Oberregierungsrat Dr. Burger die Felsformation in einer Abhandlung lapidar als „Arber-Südhang“ bezeichnet. Auch wenn es keine sicheren Beweise mehr gibt, vermutet Haller hinter der Namensgebung den Zwieseler Fachschullehrer Anton Pech. Der Maler und Fotograf, der als „Hausmeister des Bayerischen Waldes“ in die Annalen einging, hatte ein Faible für derartige Wortschöpfungen. „Der Richard-Wagner-Kopf trägt seine Handschrift“, ist sich der Professor sicher. Sicher ist auch: Mit einem Besuch des Komponisten hat der Name nichts zu tun. Richard Wagner hat den Arber nie selbst gesehen.

Wie aus Schmidt der Waldschmidt wurde

Maximilian Schmidt gibt es viele, der Waldschmidt ist einmalig. Sogar ein monumentales Denkmal wurde dem berühmtesten Sohn Eschlkams, der in seiner autobiographischen Wanderung dem Bayerischen Wald zu litararischem Ruhm verhalf, droben am Riedelstein erbaut. Dass der hoch dekorierte Heimatdichter (1832 – 1919) seinen „Künstlernamen“ allerdings „von allerhöchster Stelle“ zuerkannt bekam, wissen nur Wenige. Bereits König Max von Bayern gewährte dem jungen Leutnant aus dem Wald die Huld der Audienz und zeigte sich sehr angetan von den Gedichten und Erzählungen Schmidts. „Echte, gute, geistige Kost“, urteilte der Monarch und betonte seine Bewunderung für den Ostteil seines Reiches: „Ich schätze den Wald als eine kostbare Perle sehr hoch“. Die guten Kontakte zum Hause Wittelsbach sollten nicht mehr abreißen. Für den kunstsinnigen Ludwig II. schrieb Schmidt eigens die „Fischerrosl von St. Heinrich“, der Titel eines Hofrats wurde ihm als Dank zuerkannt. Beständiger allerdings sollte die „Auszeichnung“ bleiben, die Maximilian Schmidt 1897 erhielt. Prinzregent Luitpold erlaubte dem damals beliebtesten Volksschriftsteller Bayerns, sich offiziell „Waldschmidt“ zu nennen.

Auf den Spuren der Schwefelsäure

Was der Computer im 20. Jahrhundert geschafft hat, gelang der Schwefelsäure 200 Jahre früher. „Beide Erfindungen haben ihr Zeitalter revolutioniert“, erzählt Cornelia Schink. Als nahezu revolutionär schätzt die Kreisheimatpflegerin von Regen auch die Entdeckungen ein, die kürzlich unweit von Bodenmais ans Tageslicht kamen. Unter der Regie des Landesamts für Denkmalpflege lässt Schink seit drei Jahren Grabungen an einer historischen Vitriolölhütte durchführen. „Es ist die einzige in ganz Europa, die noch erforscht werden kann. Alle anderen sind heute überbaut“, sagt Schink. Von 1787 bis 1829 wurde in der Hütte mitten im Wald des Silberbergs über ein spezielles Destillationsverfahren die damals so begehrte Schwefelsäure gewonnen. Das Wundermittel half bei Durchfall und Brechsucht und wurde zum Gerben von Fellen und Färben von Stoffen verwendet. Bei der Herstellung fiel als Nebenprodukt Polierrot an, das zum Schleifen von Spiegeln und Gläser eingesetzt wurde. „In viele europäische Länder wurden Schwefelsäure und Polierrot aus Bodenmais verkauft, sogar bis nach Amerika“, hat Cornelia Schink nachgewiesen. Noch in diesem Jahr werden die Ausgrabungen beendet. Damit die einzige historische Vitriolölhütte Europas auch der Nachwelt erhalten bleibt, soll im nächsten Jahr ein ausführlich beschilderter Montanweg vom Silberbergwerk zum Ausgrabungsort angelegt werden.

Der Fischer vom Arbersee

Ruhig liegt er da, schwarz und tief. Eingerahmt von den Tannen und Fichten der Uferhänge, hinten die mystische Seewand gehört der Große Arbersee heute zu den beliebtesten Ausflugszielen der Region. Ob im kühlen Schatten des Wanderwegs oder während einer romantischen Fahrt im Ruderboot, hier lässt sich die Kraft des Waldes tanken – nur gierig sollte man nicht sein. Dem Fischer vom Arbersee – so erzählt die gleichnamige Ballade des Arnschwangers Josef Wensauer (1809 – 1878) – wurde eben diese Gier zum Verhängnis. Ein listiger Fisch, der schon im Netz zappelte, rettete sein Leben, indem er das Interesse des Mannes auf die goldenen Fische am Grund des Sees lenkte. Das gleißende Licht der Sonne spiegelte sich goldgelb auf den Schuppen und ließ den Fischer vom großen Reichtum träumen. Er beugte sich so weit über den Rand des Kahns, dass er in den See stürzte und versank. „Die Fische aber“, so erzählt die Ballade, „kamen von allen Seite zu Gast; sie kamen zum Leichenmahl“.

Der Krimi vom Arbersee

Edgar Wallace hätte das nicht besser inszeniert. Nur der Henkel der Damenhandtasche ragt aus dem Schlamm am Grund des Kleinen Arbersees, da kann die Leiche nicht weit sein. Für wen ist der idyllische See da nur zum nassen Grab geworden? Diese Frage stellten sich am 28. Juni 1991 zwei Taucher, als sie am Rand der mittleren Insel auf die Tasche stießen. Eine Leiche allerdings ließ sich nicht finden, dafür kamen aus der Handtasche eine Kamera, drei Geldbörsen mit zusammen 440 Mark und die Rabattkarte eines Modehauses ans Tageslicht. Über diese ließ sich schließlich deren Eigentümerin ermitteln, die den seltsamen Fund im Arbersee aufklärte. Bei einem Seniorenausflug hatte die Passauerin mit ihrer Freundin eine Bootstour unternommen und zuvor alle Geldbörsen in ihrer Tasche verstaut. Als die Frauen Platz tauschen wollten, kenterte das Boot. Sich selbst konnten die beiden Seniorinnen zwar retten, nicht jedoch die wertvolle Handtasche. Überliefert hat den „Krimi“ der bekannte Bayerwald-Autor Walther Zeitler in seinem Buch: „Der Arber, König des Bayerischen Waldes“ (Straubing, 1999)

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